Shitstorm, Hate Speech, Fake News & Co. – Social Media offenbart heutzutage viele Risiken und Gefahren für Unternehmen und Institutionen. Umso wichtiger ist es, eine passende Social Media-Kommunikation zu entwickeln. Das gilt insbesondere für Krisensituationen: Egal, ob man es mit einer klassischen oder einer rein digitalen Krise zu tun hat, Social Media-Krisenkommunikation ist heute essentiell. Warum das so ist, wie Social Media-Krisenkommunikation funktioniert und worauf es beim Shitstorm-Management ankommt, erklären wir in diesem Artikel.
Social Media ist aus der Kommunikation von Unternehmen und Institutionen kaum noch wegzudenken. Viele Unternehmen sind auf einer der zahlreichen Plattformen vertreten und kommunizieren dort täglich mit ihrer Community. Die Vorteile von Social Media sind dabei klar: Man kann selbstbestimmt, schnell und einfach kommunizieren. Zudem erreicht man ohne viel Aufwand eine große Reichweite und kann in einen direkten Austausch mit seiner Community gehen. Alle diese Faktoren machen die sozialen Medien zu einem gewinnbringenden Kommunikationstool – auch in der Krise.
In der Krisenkommunikation kann Social Media zwei Rollen einnehmen. Gar nicht oder nur unpassend umgesetzt, kann die Social Media-Kommunikation selbst zum Krisenauslöser und Krisentreiber werden. Denn: Meist reicht schon ein einzelner kommunikativer Fehltritt, um einen handfesten Shitstorm auszulösen. Auch das „Stummbleiben“ in Krisensituationen sorgt im Social Web meist für Empörung und treibt eine Kommunikationskrise voran. Wird Social Media-Krisenkommunikation jedoch richtig eingesetzt, kann sie zum wertvollen Tool und Krisendämpfer werden. Wer in den sozialen Medien schnell kommuniziert, den richtigen Ton trifft und die Anliegen der Community ernst nimmt, kann dem empörten Online-Mob den Wind aus den Segeln nehmen. Das kann zu einem abgeschwächten Krisenverlauf beitragen. Auch das Framing der Krise in der Öffentlichkeit kann durch eine adäquate Social Media-Krisenkommunikation oder ein professionelles Shitstorm-Management beeinflusst werden. Shitstorm-Simulationen können Mitarbeitenden helfen, im Ernstfall adäquat zu handeln und die Krise bestmöglich zu handhaben.
Es wird deutlich, dass Social Media in der Krisenkommunikation eine ambivalente Rolle einnimmt: Zum einen eröffnen die sozialen Medien große kommunikative Chancen für den Umgang mit klassischen und digitalen Krisen. Zum anderen birgt das Social Web auch akute Risiken und Gefahren, die einen negativen Einfluss auf den Krisenverlauf nehmen können.
Bevor es darum geht, wie Social Media-Krisenkommunikation funktioniert und warum sie trotz – oder gerade aufgrund – der angeführten Risiken enorm wichtig ist, stellt sich zunächst die Frage: Was genau umfasst Social Media-Krisenkommunikation überhaupt?
Social Media-Krisenkommunikation beschreibt die Kommunikation in Krisenfällen über Social Media sowie die Kommunikation in Social Media-Krisen. Somit können die sozialen Medien einerseits zur Kommunikation in klassischen Krisensituationen wie Unfällen genutzt werden. Andererseits können sie selbst zum Schauplatz von Krisen werden. Das bekannteste Beispiel für eine solche Social Media-Krise ist der Shitstorm. Diese Empörungslawine wird meist durch operative oder kommunikative Maßnahmen einer Organisation ausgelöst, die von der Online-Community als verwerflich bewertet werden. In Falle einer Social Media-Krise wie dem Shitstorm ist eine besondere Kommunikationsstrategie wie das sog. Shitstorm-Management notwendig.
Wie dargestellt, eröffnet Social Media viele Risiken für Unternehmen und Institutionen. Ein Fettnäpfchen kann schnell zur Krise eskalieren. Und auch Reputationsangriffe über Social Media – z.B. durch das Verbreiten von Desinformationen – stellen eine zunehmende Gefahr dar. Hinzu kommt, dass eine unpassende Social Media-Kommunikation in der Krise aus einem kleinen Krisenherd schnell einen Flächenbrand machen kann. Sich den sozialen Medien vollkommen zu entziehen und in der Krise die Kommunikation im Social Web einzustellen, ist trotzdem keine empfehlenswerte Lösung.
Social Media ist – auch in klassischen Krisen – mittlerweile zum relevanten Informationsmedium unterschiedlichster Anspruchsgruppen geworden. Diese erwarten, dass ihnen Organisationen in der Krise über Social Media Rede und Antwort stehen. Das belegen auch aktuelle Untersuchungen. Demnach erwarten 80 Prozent der Befragten, dass Akteur:innen in Krisensituationen das Social Web überwachen und dort kommunizieren sollen. Rund ein Drittel erwartet sogar eine Information über Social Media innerhalb von 60 Minuten nach Bekanntwerden der Krise[1]. Diese Zahlen beziehen sich maßgeblich auf klassische Krisenfälle wie Naturkatastrophen oder Unfälle. Bei reinen Social Media-Krisen dürften die Erwartungen daher noch höher sein.
Wer sich den sozialen Medien entzieht, läuft also Gefahr, die Erwartungen vieler Stakeholder:innen zu enttäuschen und ihre Empörung weiter zu befeuern. Ganz nach dem Motto: „Was fällt denen ein, dass sie sich hier nicht mal zur Krise äußern!?“. Gleichzeitig gibt man durch das „Abtauchen“ auch die Diskurshoheit aus der Hand. Die Kommunikation über die Krise und das Krisenmanagement wird nicht vom eigenen Unternehmen bestimmt, sondern im schlimmsten Fall von wütenden User:innen oder Kontrahent:innen. Dann ist der Shitstorm garantiert – und der kann ohne aktives Shitstorm-Management schnell ein paar Tage anhalten. Springen dann noch die traditionellen Medien auf den Zug auf und berichten über die mangelnde Reaktion des Unternehmens in der Krise, besteht eine nachhaltige Gefahr für die eigene Reputation. Dabei ist zu bedenken, dass ein Reputationsverlust reale, finanzielle Folgen haben kann und nicht leichtsinnig abgetan werden soll (mehr dazu gibt es hier).
Demgegenüber birgt die Krisenkommunikation über Social Media viele Vorteile und Chancen für Unternehmen, Institutionen und Personen. So können über die eigenen Kanäle schnell relevante Informationen geteilt werden. Durch den Wegfall von Journalist:innen und Redaktionen kann die Krisenkommunikation hier (zunächst) unkommentiert und in einer eigenen Rahmung geschehen. D.h. konkret: Die eigenen Kernbotschaften können selbstbestimmt und gezielt platziert werden. Zudem bieten die sozialen Medien auch die Möglichkeit, das allgemeine Sentiment der Stakeholder:innen in der Krise zu erfassen. Das ist beispielsweise über ein Escalation-Monitoring mit einer entsprechenden Analyse möglich. Dabei können auch wiederkehrende Themen und Anliegen der Stakeholder:innen identifiziert und in der eigenen Kommunikation aufgegriffen werden. Damit bietet Social Media in der Krise vor allem vier grundsätzliche Vorteile:
Social Media ist für eine erfolgreiche Krisenkommunikation heutzutage also enorm wichtig. Hinzu kommt, dass insbesondere Social Media-Krisen wie Shitstorms eine Krisenkommunikation im Digitalen erfordern. Nur so können jene Stakeholder:innen erreicht werden, die von der Krise betroffen sind oder diese online verfolgen. Denn: Es ist gut möglich, dass eine Pressemitteilung oder ein zugehöriger Bericht in den traditionellen Medien, Social Media-User:innen nicht zwingend erreicht. Außerdem wird eine Krise durch selbstinitiierte Medienberichterstattung meist größer gemacht als sie eigentlich ist. Daher empfehlen wir in der Regel, bei Social Media-Krisen ein adäquates Shitstorm-Management aufzusetzen, das maßgeblich auf dem gleichen Kanal wie die wütende Online-Community kommuniziert.
Achtung! Fatalen Fehler vermeiden. In der Krise kann es im Netz schnell hoch her gehen. Aber: Selbst, wenn man sich entscheidet, nicht über Social Media zu kommunizieren, sollte der eigene Account nicht gleich ganz gelöscht werden. Diese Maßnahme hat eine (negative) Signalwirkung und kann schnell als Schuldeingeständnis oder Feigheit interpretiert werden. Daher empfehlen wir all jenen, die sich gegen eine aktive Social Media-Krisenkommunikation entscheiden, vorerst nur alle geplanten Aktionen und Postings einzustellen und abzuwarten, bis der Shitstorm vorbeigezogen ist.
Generell steht fest: Social Media-Krisenkommunikation und Shitstorm-Management sind wichtig. Gleichermaßen wichtig ist allerdings, dass beide professionell und adäquat ein- und umgesetzt werden. Doch wie funktioniert gute Social Media-Krisenkommunikation?
Insgesamt gelten bei der Social Media-Krisenkommunikation die gleichen Grundsätze wie bei der klassischen Krisenkommunikation. Auch die Do’s und Don’ts der beiden Kommunikationsarten sind vergleichbar. Trotzdem hat Social Media bestimmte Eigenheiten, die beachtet werden müssen. Wir haben daher fünf Tipps für die Social Media-Krisenkommunikation für Sie zusammengestellt.
Vorbereitung ist im Krisenmanagement das A und O – das ist kein Geheimnis. Damit Social Media in der Krise richtig eingesetzt wird, lohnt es sich, auch diesen Bereich in die Vorbereitung zu investieren. Nur so weiß die Social Media-Abteilung im Ernstfall was zu tun ist. Neben generellen Angaben zum Umgang mit bestimmten Themen, Abläufen und Infrastrukturen im Krisenhandbuch ist auch eine Social Media Policy empfehlenswert. In dieser werden bestimmte Regeln für die Kommunikation sowie den Umgang mit Issues in Social Media festgelegt. Dabei reichen die Angaben von simplen Regelungen zur Ansprachen (z.B. „Du“ oder „Sie“?) über Regeln zum Reaktionsverhalten (Antworten wir auf jeden Kommentar?) bis hin zu Anordnungen zum Umgang mit Hate Speech (Wann wird ein Kommentar gelöscht, gemeldet oder sogar zur Anzeige gebracht?). Die Guidelines zum Umgang mit Hasskommentaren o.Ä. sollten außerdem in einer Netiquette dokumentiert und der Online-Community zur Verfügung gestellt werden.
Krisensituationen werden in den sozialen Medien zunehmend durch polarisierende Themen ausgelöst. Selbst, wenn das nicht der Fall ist, versuchen z.B. Randgruppen, in der aktuellen Cancel Culture bestimmte Krisendiskurse zu kapern und für die eigenen Zwecke zu nutzen. Um bei schwierigen Themen handlungsfähig zu bleiben, lohnt es sich daher, eine Haltung zu dem jeweiligen Issue zu definieren. Bestenfalls ist das bereits in der Krisenvorbereitung geschehen. Eine solche Haltung kann dann in der Krise als Kompass dienen, an dem sich auch die Social Media-Krisenkommunikation orientiert. Positioniert man sich als Unternehmen beispielsweise klar gegen Rechtsextremismus, ist klar, was zu tun ist, wenn eine Gruppe rechter Trolle versucht, den Diskurs über die eigene Krise zu kapern. Eine Haltung zu einzelnen Issues sollte dabei immer in Anlehnung an den generellen Unternehmenspurpose passieren.
Social Media ist ein Dialogmedium. Anders als bei klassischen Medien geht es daher nicht allein darum, Informationen und Botschaften zu teilen. Vielmehr müssen die Sorgen und Ängste der Community ernst genommen werden. Da es in der Krise aber oft unmöglich ist, auf jeden Kommentar zu antworten, kann durch regelmäßige Postings auf der eigenen Seite ein scheinbarer Dialog simuliert werden. Das gelingt, indem regelmäßige Updates gepostet oder Fragen von User:innen zentral in Postings auf der eigenen Seite beantwortet werden.
Es bietet sich außerdem an, eine FAQ-Sektion auf der Website einzurichten und auf diese in Social Media zu verlinken. Ein solcher Dialog kann u.U. auch aufgebaut werden, wenn es keine neuen Informationen gibt („Wir nehmen euch wahr/ es gibt noch nichts Neues/ wir arbeiten an einer Lösung/ etc.“). Das ist auch wichtig, da neben den aktiven User:innen viele andere schlicht „mitlesen“ und ggf. einen schlechten Eindruck bekommen, wenn man als Unternehmen gar nicht bzw. nur sehr dürftig reagiert.
Neben einem Informationsbedürfnis haben Social Media-User:innen zudem oft ein starkes emotionales Bedürfnis. Sie wollen, dass ihre Gefühle wie Angst oder Wut ernst genommen und verstanden werden. Daher sollten die Nutzer:innen durch die Social Media-Krisenkommunikation emotional abgeholt werden. Sachliche und rationale Statements, die sich für die Presse eignen, sind daher nicht 1:1 in Social Media zu übertragen. Generell gilt in Social Media die kommunikative Gleichstellung – d.h. der Dialog mit den Nutzer:innen sollte auf Augenhöhe stattfinden. Hier helfen Aussagen mit empathischer Tonalität.
Das Community Management spielt in Krisensituation eine zentrale Rolle. Dabei sollten die Community-Beiträge gesichtet und Kommentare, die gegen die eigene Netiquette verstoßen, gelöscht werden. Hierfür sollten im ersten Schritt genug personelle Ressourcen mit entsprechender Kenntnis der Netiquette eingeplant werden, da der Aufwand u.U. sehr groß sein kann. Weiterhin ist es in Krisen sinnvoll, die Kommunikation auf geschlossene Kanäle zu verlagern. So kann man User:innen mit konkreten Fragen und Anliegen z.B. auf die Möglichkeit von Privatnachrichten oder den Kund:innenservice hinweisen. Um dort eine erhöhte Anzahl an Anfragen effektiv zu bearbeiten, eignen sich technische Unterstützungsmöglichkeiten wie z.B. Krisen-Chatbots.
Ein dauerhaftes Monitoring der Kommunikation im Social Web hilft der Lagebeurteilung in der Krise. Durch das sog. Social Listening kann festgestellt werden, welche Fragen bei der relevanten Zielgruppe aufkommen oder wie diese auf die Maßnahmen des Krisenmanagements reagiert. Je nach Ergebnis kann dann nachjustiert werden. Für das Monitoring eignen sich technische Tools. In diesen können Postings in der Regel mit verschiedenen Tags wie z.B. dem Sentiment versehen werden. Das macht eine stetige Krisenevaluation noch effektiver und gibt wertvolle Impulse für das weitere Vorgehen.
Abschließend wird deutlich, dass Social Media in der modernen Krisenkommunikation eine zentrale Rolle einnimmt. Diese sollte ihrer Relevanz entsprechend im Krisenmanagement beachtet werden. Das ermöglicht es, Krisenverläufe abzuschwächen und aus einem Shitstorm möglicherweise sogar einen Candystorm zu machen.
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[1] University of San Francisco. Online unter: http://onlinempa.usfca.edu/resources/webinars-infographics/social-media/