Fake News mit fatalen Folgen – Covid-19 und die Durchschlagskraft von Desinformationen

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie wird die Welt von einer Welle an Fake News und Desinformationen überrollt. Verschwörungstheorien mischen sich mit falschen Gesundheitstipps, Falschinformationen wollen belegen, dass es das Coronavirus gar nicht gibt und sorgen für Unsicherheit und Zweifel an Regierungen, Institutionen und politischen Entscheidungsträger:innen. Und das mit real-weltlichen Auswirkungen. Desinformationen sind dabei zwar kein neues Phänomen, die Corona-Krise zeigt jedoch, welche Durchschlagskraft koordinierte Desinformationskampagnen haben können, die vor allem mit Blick auf anstehende Wahlen oder wirtschaftliche Entwicklungen enorme Relevanz erhalten. In diesem Artikel nehmen wir die Fake News rund um Covid-19 unter die Lupe, um zu zeigen welche Gefahr von gezielten Falschmeldungen ausgeht – im gesellschaftspolitischen wie auch im wirtschaftlichen Kontext.

Ich mach‘ mir die Welt, wie sie mir gefällt…

Die Welt wird derzeit von einer regelrechten Infodemie ergriffen. Davon sind nicht nur politische Instanzen und Wissenschaftler:innen überzeugt, das zeigen auch die Zahlen: Laut der Deutschen Welle hat die EU seit Ausbruch der Pandemie mehr als 600 Falschmeldungen mit Corona-Bezug in Europa erfasst[1]. Und die scheinen durchaus effektiv: Menschen zweifeln die Existenz des Virus, demonstrieren in der Hauptstadt gegen die Corona-Maßnahmen oder bringen sich und andere durch das Missachten der Hygiene- und Abstandsregeln in Gefahr. Gleichzeitig teilen sie die falschen Informationen – oft im Glauben daran, etwas Gutes zu tun – mit ihrem sozialen Umfeld und in den sozialen Medien und tragen so zu einer massiven Verbreitung der Desinformationen bei. Extremistische Tendenzen von Corona-Leugner:innen und Verschwörungsprediger:innen blenden sie dabei erfolgreich aus.

Doch warum sind Desinformationen in Zeiten des Coronavirus so erfolgreich? Die Antwort darauf ist vielschichtig. Einige Faktoren, die das Glauben von Fake News aktuell begünstigen, sind z.B. die Unsicherheit, Komplexität und Angst, die die derzeitige Situation für viele Menschen mit sich bringt. Falschinformationen und Verschwörungserzählungen reduzieren diese negativen Emotionen: Wer z.B. überzeugt ist, dass es das Coronavirus nicht gibt, der muss keine Sorge vor einer Ansteckung oder einer ungewissen Zukunft haben, der hat eine Ausrede, sich nicht an lästige AHA-Vorschriften zu halten und der erhält einfache Antworten auf schwierige Fragen (Wer hat Schuld an der Situation? Ganz einfach: Bill Gates oder die 5G-Technologie).

Desinformationen – ein Symptom der Pandemie oder koordinierte Kampagnenarbeit?

Dass Desinformationen zurzeit allgegenwärtig sind, ist vielen Menschen bewusst – aber, wo kommen die falschen Informationen und Fake News Artikel eigentlich her? Werden sie von einzelnen Menschen verfasst und verbreitet, die es einfach nicht besser wissen oder steckt da eventuell mehr dahinter? Eine abschließende und fundierte Antwort auf diese Fragen kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geliefert werden. Erste Untersuchungen legen jedoch nahe, dass es sich vielmehr um koordinierte Desinformationskampagnen handelt, als um zufällig auftauchende Falschinformationen von einzelnen User:innen. So weisen erste Berichte der EU[2] sowie US-amerikanischer Sicherheitsbehörden auf Verbindungen zu Russland hin und auch Forscher:innen der University of Oxford konnten eine zentrale Rolle russischer Medien in der Verbreitung der Desinformationen nachweisen[3]. Naheliegend erscheint laut einer Recherche der New York Times auch, dass Interessensgruppen wie z.B. die Anti-5G-Bewegung oder Impfgegner:innen an der gezielten Distribution von Desinformationen beteiligt sind und die aktuelle Situation zum Durchsetzen der eigenen Agenda nutzen wollen. Und das mit Erfolg, immerhin gab es mittlerweile weltweite Zerstörungsversuche von z.B. 5G-Masten.

All diese Erkenntnisse passen zu den Tendenzen und Entwicklungen der letzten Jahre, die es vor allem mit der US-Präsidentschaftswahl 2016 – mehr oder weniger stark –  ins öffentliche Bewusstsein geschafft haben: Regierungen und Interessengruppen versuchen zunehmend durch sog. information warfare (zu Deutsch: Informationskrieg), Gesellschaften zu spalten, Wahlergebnisse zu manipulieren, Branchen und Märkte zu beeinflussen oder Wirtschaftsakteur:innen zu zerstören. Das ist auch bei Covid-19 der Fall: Mit dem Zweifel an der Existenz oder dem Auslöser des Coronavirus, wächst der Unmut gegenüber der Politik, die Auseinandersetzungen mit Corona-Leugner:innen führen immer häufiger zur Eskalation und Gegner:innen der Pharmaindustrie oder Telekommunikationsbranche machen Stimmung gegen einzelne Global Player.

Gleichzeitig werden verunsicherte und wütende Menschen schnell anfällig für ganz andere Themen und Narrative, die mit der eigentlich Pandemie eher wenig zu tun haben. So versuchen z.B. Verschwörungsbewegungen wie QAnon oder extremistische Gruppierungen von den Folgen der Falschinformationen zu profitieren und mehr und mehr Menschen für die eigene Sache zu rekrutieren.

3 Dinge, die die Infodemie deutlich macht

Desinformationen und ihre Wirkung werden von der Wissenschaft schon länger betrachtet – die aktuelle Infodemie stellt die Wahrhaftigkeit von einzelnen Erkenntnissen aber noch einmal mit aller Deutlichkeit zur Schau. Dabei sind drei Aspekte besonders interessant und relevant. Erstens: Alles kann gefaked werden und Desinformationen können – egal wie verrückt ihr Inhalt auch ist – viele Menschen von ihrem Wahrheitsgehalt überzeugen. Das zeigt u.a. der aktuelle Zulauf zu absurden Verschwörungserzählungen. Sind Menschen erst einmal offen gegenüber „alternativen Fakten“, können Informationslücken, Ängste und Unsicherheit mit beinahe jedem Inhalt gefüllt werden, der den Menschen eine klare Denklinie, Glauben oder einen Anker schenkt. Zweitens: Desinformationen haben reale Auswirkungen. Ihre Wirkung beschränkt sich nicht allein auf den digitalen Raum. Haben sie erstmal Platz in den Köpfen der Menschen gefunden, folgt dem Denken schnell ein Handeln – das wird an den derzeitigen „Hygienedemos“ in vielen deutschen Städten besonders deutlich. Erst Ende August löste eine Frau auf einer solchen Demonstration in Berlin mit einer falschen Information einen Ansturm der Demo-Teilnehmer:innen auf den Reichstag aus. Und drittens: Gezielte Desinformationskampagnen sind so real wie nie zuvor und werden zukünftig nicht ab-, sondern zunehmen. Im digitalen Zeitalter kämpfen Staaten und andere Akteur:innen nicht mehr mit Waffen um physische Gebiete, sondern mit Informationen um die Köpfe und Herzen der Bevölkerung. Die Waffen in diesem neuen Kampf werden zudem immer smarter und steigern ihre Durchschlagskraft: neue Technologien wie Künstliche Intelligenz und Bots ermöglichen die Automatisierung von Falschinformationen, machen Deep Fakes möglich und erschweren es, Desinformationskampagnen als solche zu identifizieren.

Was heißt das für die Zukunft?

Die Durchschlagskraft mit der Desinformationen aktuell das Denken und Verhalten unzähliger Menschen beeinflussen, sollte nicht einfach ignoriert werden. Wem die Gefahr koordinierter Informationsangriffe nach der US-Präsidentschaftswahl 2016 immer noch nicht bewusst war, sollte spätestens jetzt davon überzeugt sein, dass gezielte Desinformationskampagne harte Realität sind und realen Einfluss auf weltweite Entscheidungen und Entwicklungen nehmen. Wer noch immer glaubt, dass diese Thema nur weit entfernte Nationen wie China, Russland oder die USA betrifft, irrt enorm. Schon 2019 konnten in über 70 Ländern auf der Welt gezielte Social Media-Manipulationskampagnen nachgewiesen werden – damit hat sich die Zahl innerhalb von nur zwei Jahren ungefähr verdoppelt[4]. Hinzu kommen vergangene Beispiele darauf hindeuten, dass auch bei der anstehenden Bundestagswahl 2021 mit massiven Manipulationsversuchen durch Desinformationen zu rechnen ist: So gab es sowohl bei der Europawahl 2019, der Brexitwahl sowie auch bei der letzten Bundestagswahl 2017, Versuche die Wahlergebnisse mit der gezielten Verbreitung von digitaler Propaganda und falschen Informationen zu beeinflussen wie u.a. britische Wissenschaftler:innen herausfanden[5].

Vor diesem Hintergrund deutet die derzeitige Entwicklung also auf eine Verschlimmerung und Verschärfung des Problems hin. Hybride Kriegsführung – sei es gegen Staaten und Regierungen, einzelne Entscheidungsträger:innen oder Wirtschaftsakteur:innen – wird zunehmen. Und egal ob Einzelpersonen, Staaten oder Regierungen, Unternehmen oder ganze Branchen – jeder kann in das Zentrum einer Desinformationskampagne geraten. Umso wichtiger ist es, sich dem Problem anzunehmen und entsprechende Maßnahmen zu treffen. Dabei sind drei Komponente besonders wichtig: Awareness und Kompetenz bei Mitarbeitenden oder der breiten Bevölkerung, Vorbereitung und Prävention in Institutionen, Verbänden und Unternehmen, Intervention und Abwehr im Ernstfall.

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Better safe than sorry.


[1] https://www.dw.com/de/streut-russland-fake-news-%C3%BCber-corona/a-54418030

[2] https://euvsdisinfo.eu/eeas-special-report-disinformation-on-the-coronavirus-short-assessment-of-the-information-environment/

[3] https://comprop.oii.ox.ac.uk/wp-content/uploads/sites/93/2020/06/Covid-19-Misinfo-Targeting-French-German-and-Spanish-Social-Media-Users-Final.pdf

[4] https://comprop.oii.ox.ac.uk/research/cybertroops2019/

[5] https://www.isdglobal.org/wp-content/uploads/2020/06/isd_Click-for-Outrage.pdf