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Digital Branding – Die Marke im digitalen Zeitalter

Na, du bist ja vielleicht eine Marke!

Eine starke Marke ist das Aushängeschild der Wirtschaft. Sie hebt das einzelne Unternehmen von den Mitbewerber:innen auf dem Markt ab und bindet mit einer eigenen Markenwelt die Verbraucher:innen emotional, assoziativ und intuitiv. Eine Marke mit hohem Wiedererkennungs- und Identitätswert steuert die Nutzer:innen in ihrem Konsumverhalten mehr als ihnen bewusst wird. Sie verleiht eine gewisse Sicherheit und Orientierung im kommerziellen Dschungel und führt im optimalen Fall zu einem hohen Gefühl von Gruppenzugehörigkeit und Selbsterkennung. So konnten Produkte und Dienstleistungen zu Prototypen ihrer Gattung werden. Heute verwendet kaum jemand noch den Begriff Papiertaschentuch, sondern fragt nach einem „Tempo“ und sagt nicht „Hast du mal ne Windel?“ sondern verlangt nach einer „Pampers“. Selbst wenn im Einzelfall tatsächlich ein Konkurrenzprodukt im Einkaufswagen landet, bleibt der Prototyp im Kopf präsent.

Nutzen ist gut, Erlebnis ist besser

Die Zeit, in der ein Produkt lediglich einen hohen Nutzen als Aussage benutzte, ist definitiv vorbei. Eine Markenaussage, die kein Markenerlebnis als Mehrwert vermittelt, wirkt heute kontraproduktiv. Unternehmen sind also gut beraten, ihre Zielgruppe und deren Bedürfnisse penibel zu erforschen und ihre Angebote punktgenau auf die Erwartungen zuzuspitzen. Dabei müssen sie wie ein Seismograph nach innen und außen die aktuellsten gesellschaftlichen und konsumpolitischen Schwingungen aufnehmen, Trends aufspüren und sich neben der mittelfristigen Markenführung auch kurzfristig anpassungsfähig zeigen. Und sich klar machen, dass im digitalen Zeitalter die Pendel anders ausschlagen als in analoger Zeit. Unternehmen, die verkennen, dass die digital orientierten Konsument:innen sich längst emanzipiert haben, stehen vor einem echten Problem.

Digital Branding ist mehr als eine lila Kuh

In unseren allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen bezeichnen wir Menschen als Marke, die sich durch Originalität, Individualität und Profil auszeichnen und mit einer eigenen Geschichte von anderen abheben. Sie stehen zu dem, was sie sind und tun und das nehmen wir als authentisches Verhalten wahr. Wie lässt sich dies auf das Wirtschaftsleben ummünzen?

Die digitale Welt hat uns in unserer Wahrnehmung, Aufnahmebereitschaft und in unseren Ansprüchen als Konsument:innen und Verbraucher:innen gravierend verändert. Der allgegenwärtige Zugriff auf weltweite Information und Kommunikation macht uns selbstbewusster und kritischer. Wir haben uns angewöhnt, Produkte und Dienstleistungen miteinander zu vergleichen und nach der optimalen Option zu suchen. Unternehmen tun gut daran, diesem geänderten Informationsbedürfnis nach Mehrwert und dem gewachsenen Selbstbewusstsein der Verbraucher:innen Rechnung zu tragen. Nur mehr auf Produktgüte und Service-Qualität zu setzen, reicht im digitalen Kontext längst nicht mehr aus. Die Markenbindung früherer Zeit ist aufgebrochen, die autonomen User:innen pochen auf einen einzigartigen Markenwert, der ihnen ein spannendes Erlebnis oder einen attraktiven Mehrwert verspricht.

Was unterscheidet die digitale von der herkömmlichen Markenführung?

Die digitale Marke ist agiler

Digitale Markenführung im Umfeld digitaler Informations- und Kommunikationskanäle muss nach wie vor markenkonform gestaltet werden. Die Bedenkzeit allerdings, die den analogen User:innen noch wichtig war, kann die digitale Nutzung nicht mehr bieten. Die User:innen haben sich dem enormen Tempo, mit der Digitalisierung sich vollzieht, angepasst und erwarten von der Marke neben einer starken interaktiven Qualität auch eine hohe Veränderungs- und Anpassungsbereitschaft und Agilität an aufkommende Trends, Märkte und gesellschaftliche Veränderungen. Immer noch muss die Markenstrategie mittel- bis langfristig ausgerichtet sein, aber um Längen ganzheitlicher und beweglicher umgesetzt werden.

Die digitale Marke ist interaktiver

Die analogen Markenitems wie Logo, Wording, Slogan, App, Visual sind nicht obsolet geworden, stehen aber nicht mehr allein. Auch die Touchpoints zwischen Brand und Consumer:in haben sich auf die von den User:innen bevorzugt genutzten digitalen Begegnungsebenen verlagert. Zwischen den virtuellen und realen Kontaktpunkten muss strategische Vernetzung für die notwendige Stringenz im Markenbild sorgen. Eine integrativ wirkende Markenstrategie muss vor dem Hintergrund des geänderten User:innenverhaltens bei der Besetzung von Marktthemen die klassischen Medien mit neuen Medien vernetzen. Besonders gefragt ist dies etwa bei der Kund:innenberatung, dem Beschwerdewesen, den Services, die bislang konservativ analog angeboten wurden. Das gewohnte Service-Telefonat oder die Hotline wird ergänzt mit einem Chatroom oder digitalen Messenger.

Die digitale Marke ist näher an Konsument:innen dran

In der digitalen Welt kann jeder oder jede zu Sender:innen werden. Mit einem Klick sind die Konsument:innen mitten drin im Markengeschehen. Wir posten, mailen, messagen, simsen, kommentieren und liken – das hat einerseits zu einer sprachlichen Niveauverflachung geführt, andererseits zu einem neuen Selbstverständnis bei Konsument:innen. Sie wollen heute weit selbstbewusster und forscher als früher mitbestimmen, welche Produkte und Dienstleistungen gegenwärtig und künftig abgerufen werden möchte. Moderne Unternehmen kommen diesem Bedürfnis mit einem inszenierten Dialog und moderiertem Meinungsaustausch zwischen Marke und Nutzer:in entgegen. Das funktioniert digital-klassisch auf den herkömmlichen Sozialen Medien, aber auch über Begegnungszentren, die vom Unternehmen selbst geschaffen werden – Blog, Online-Magazin, Video, Webinar, Chatforum, Newsroom oder über Content Marketing Aktivitäten im Allgemeinen. Wer seine Inhalte und Marken nicht erklärlich macht und im Dialog aufbereitet, vergibt Chancen. Auch hier liefert die sinnvolle und strategische Verzahnung mit Offline-Aktivitäten (Kundenzeitschriften, Direktmailings, Umfragen, Wettbewerbe) die zielführende positive Verstärkung.

Die digitale Marke ist unterhaltsamer geworden und erzählt Geschichten

Der Mensch ist sehnsüchtig nach Geschichten und Mythen. Mit ihnen lernt er von klein auf seine Lebenswelt kennen und verstehen. Eine digitale Marke lebt in dem Maß wie sie von den Nutzer:innen geteilt wird. Teilen wurde zu einer neuen Währung. Interessierte Nutzer:innen teilen gerne, weil die interessanten Inhalte auch den Teilenden aufwerten und attraktiver erscheinen lassen. Geschichten in Videoclips, Comics, Graphic Novels oder kleinen News zu verpacken hat für beide Seiten – Sender:in und Empfänger:in – einen hohen Reiz. Informationen, die in narrativer Form präsentiert werden, sind leicht eingängig und leicht verzehrbar, in mundgerechte Happen aufgeteilt. Auch die Psychotherapie bedient sich dieser Darreichungsform, weil sie komplexe Sachverhalte aufschlüsseln und „entdämonisieren“ kann, unabhängig davon ob es sich um fiktive (also konstruierte) oder reale Geschichten handelt.

Die Form macht hier die Story. Geschichten provozieren Emotionen und Gefühle und schaffen es auf unterhaltsame Art, Wissen, Ziele, Werte in unserem Gedächtnis zu verankern. Vereinfachte Unternehmensbotschaften in Form des Storytellings werden von Rezipient:innen bevorzugt aufgegriffen. Im Wettbewerb des Marktes verschaffen sie dem Aussendenden einen unschätzbaren Vorsprung, denn sie richten den Scheinwerfer auf den Aussendenden, der damit der Beliebigkeit entrinnt und unterscheidbar und sichtbar wird.

Digitales Branding besetzt Themen sowohl aus dem Unternehmens- als auch dem Kund:innenalltag und zieht die Empfänger:innen in einen narrativen Kontext, der sie einmal mehr zu aktiv Beteiligten werden lässt. Unternehmensphilosophie, Mission, positive wie negative Gefühlsregungen, für die die beworbene Marke steht – respektive eine Lösung bieten kann – entwickeln neuronale Netzwerke. Eine Geschichte funktioniert dramaturgisch seit Jahrmillionen nach den gleichen archetypischen Prinzipien, die in unseren Genen verankert und daher hochwirksam sind. Sie aktivieren, binden, emotionalisieren und begeistern für eine Idee, eine Dienstleistung, ein Produkt, eine Weltanschauung, einen Trend.

Die digitale Marke wirkt multimedial

Gerade das Internet verfügt über erstaunliche Möglichkeiten, eine Marke über Geschichten auf vielfältigen Übertragungsformen zu präsentieren und zu kultivieren. Audio, Video, Bild, Comic, Text, Ton, Illustration, Slideshow und Animation transportieren die Inhalte des Storytelling. Die digitale Entwicklung macht es bereits möglich, Nutzer:innen in eine virtuelle Schaufenster- oder Katalogsituation zu versetzen und sie sich interaktiv bewegen respektive einen gewissen Einfluss auf die Handlungsabläufe nehmen zu lassen. Virtuelle Intelligenz macht’s möglich!

Die digitale Marke ist netzwerkorientierter

Digitale Nutzer:innen haben sich daran gewöhnt, in virtuellen Gemeinschaften ein neues Gemeinschaftsgefühl zu erleben, das sich von der realen Person, dem Gegenüber distanziert hat. Digital Branding kann dieses Bedürfnis für sich nutzen, ohne es zu missbrauchen. Die Präsenz eines oder einer physischen Dialogpartner:in ist auf den Online Touchpoints nicht mehr zwingend erforderlich, um als Teil eines Ganzen ein reales Gemeinschaftsgefühl auszubilden. Das kann man gut finden oder beklagen – diese Entwicklung müssen wir mittlerweile als gesellschaftlich sanktioniert ansehen. Die Community ist Teil unserer Beziehungswelt geworden, und für viele digitale Nutzer:innen in einem stärkeren Maß als die reale Welt sie bietet. Gleichgesinnter unter Gleichen zu sein beinhaltet ein enormes Bindungspotenzial, auch wenn diese Gleichen gesichtslos geworden sind.

Gemeinsames Agieren in einem digitalen Raum schafft eine Zugehörigkeit, die ein digitaler Markenauftritt für seine eigene Ausstrahlung und Bindungsfähigkeit nutzen kann, sowohl analog als auch online. Wenn sich Motorradfans in der digitalen Gruppe einer bevorzugten Motorad-Marke verbinden, ist der nächste Schritt zu einem physischen Zusammentreffen und Austausch bereits vorgezeichnet.

Das heißt auch, dass beim Digital Branding die Marke eine gesellschaftspolitische und sozial wirksame Funktion übernehmen kann. Sie bildet die Basis für eine Gemeinschaftsplattform mit Eigendynamik. Damit dies zielorientiert funktioniert, werden bestimmte Identifikationsfiguren oder tragfähige, glaubhafte, vielleicht sogar mitreißende Persönlichkeiten in dieses „Social Design“ eingebunden. Sie steuern die Eigendynamik der Gruppe und geben ihr Struktur.

Digital Branding verlangt neue Qualitäten

Wo spielt es sich ab? Auf der Website, im Online-Marketing, in Social Media und im Influencer Marketing: auf allen digitalen Marketingkanälen in Vernetzung mit den analogen Sendeformen. Die neuen Erfolgsfaktoren heißen Vielfalt, Konsistenz bei gleichzeitiger Vielfalt, Innovation bei massiv erhöhtem Tempo, Reichweite und Relevanz. Wer digitales Branding betreibt, benötigt Toleranz gegenüber Fehlern und Störungen, die Fähigkeit sich mit den Reaktionen der Online-Community auseinanderzusetzen und diese ernst zu nehmen. Er muss Rückmeldungen deuten können, die Community aktiv zum Mitmachen auffordern und ihnen dafür Anreize geben.

Die Gestalter:innen von Digital Branding müssen bereit sein, alte Verhaltensmuster zu hinterfragen und zu revidieren. Hier geht es nicht um Verlautbarungen, sondern um glaubhafte Dialoge statt Monologe. Schwerfällige Abstimmungswege und veraltete Verfahrensweisen erweisen sich als obsolet im digitalen Geschwindigkeitsrausch: Entscheider:innen in Unternehmen müssen Vertrauen fassen in die Fähigkeit derer, die das Digital Branding gestalten und dafür Verantwortung tragen. Eine neue – digitale – Zeit erfordert auch neue hierarchische Prinzipien.

Fazit:

Digital Branding hat sich längst in den Marketingunits der Unternehmen etabliert. Bei einer ständig steigenden Internetnutzung und -akzeptanz und eines noch verbesserten Ausbaus des Internetzugangs, wird digitale Markenführung stetig an Bedeutung gewinnen, allerdings auch immer mit den Offline-Aktivitäten verzahnt bleiben müssen. Nutzer:innen sind in ihrem Verhalten nicht zu 100 Prozent vorausschaubar – Trends kommen und gehen, Hypes tauchen auf und nehmen an Bedeutung auch wieder ab. Das entspricht den Wellenbewegungen des Marktes.

Heute werden digitale Marken mit modernen Methoden aufgebaut und klassische Marken in der digitalen Welt weiterentwickelt. Digitale Markenpositionierung wird die Markenkommunikation über Offline- und Online-Medien gestalten und steuern. Nutzer:innen nehmen aktiv teil, haben ein eigenes Verständnis der Markencharakteristika und erwarten eine Personalisierung der Marke. Absurderweise hat das digitale Branding (das auf digitaler Technik fußt) eine menschlichere Seite als die klassische Markenführung, denn es setzt auf Gesichter, Personen, Geschichten, Emotionen und betrachtet die Konsument:innen als Partner:innen in einem gegenseitigen Entwicklungsprozess. Die Konsument:innen haben sich emanzipiert und pochen zunehmend darauf, ihre Meinungen, Vorstellungen und Bedarfsorientierungen einbringen zu können. Produkte und Dienstleistungen, die dieses Bedürfnis spiegeln und erfüllen, haben am Markt die Nase vorne.

Better safe than sorry!